Forschung am CPC-M - Was macht die Lunge mit toxischen Nanopartikeln?

Forschung am CPC-M

Was macht die Lunge mit toxischen Nanopartikeln?

Wie toxisch sind industrielle Nanopartikel in der Lunge?

Tierversuchsfreie Methode könnte bei der Herstellung sicherer Materialien helfen.

Dass feinste Partikel wie Zigarettenrauch oder Verbrennungs-Schadstoffe aus der Umwelt die Lunge schädigen, ist hinreichend erforscht. Die Wissenschaft weiß, dass hier ein großer Vorteil im Aufbau unserer Lunge zu einem Nachteil wird: Die fein verästelten und empfindlichen Alveolen (Lungenbläschen) können den ebenso feinen, aber schädlichen Nanopartikeln nichts entgegensetzen. Schon bei erstmaligem Kontakt kann es zu Entzündungen kommen und bei längerer Belastung sogar zu chronischen Erkrankungen wie COPD oder zu Lungenkrebs.

Aber auch in der Industrie können gesundheitsgefährdende Nanopartikel während der Produktion und der Verarbeitung bzw. später während der Zersetzung oder der Verbrennung von Materialien freigesetzt werden. Zu diesen Materialien gehören z.B. Keramikpartikel für Lacke, Zinkoxid für Kosmetika oder Siliciumdioxid in Nahrungsmitteln.

Mikroskopbild einer humanen Alveolarzelle
Humane alveolare Typ II Zelle - © Helmholtz Zentrum München (Miriam Kastlmeier)

Was richten die Nanopartikel dieser Materialien in der Lunge an und wie könnte ihre schädliche Wirkung vorzeitig bewertet und damit verringert oder ausgeschlossen werden? DZL-PI Dr. Tobias Stöger hat jetzt gemeinsam mit einer europäischen Forschungsgruppe zwei wichtige Durchbrüche auf diesem Forschungsgebiet erzielt:

  • Entdeckung zweier bisher unbekannter zellulärer Schlüsselereignisse beim Aufeinandertreffen von Nanopartikeln und Lungenzellen
  • Entwicklung einer alternativen, tierversuchsfreien Methode, um die akute bzw. chronische Toxizität der Nanopartikel in der Lunge für 15 verschiedene Materialien vorherzusagen

Das letztendliche Ziel: Die Entwicklung und Produktion sichererer industrieller Materialien zu erleichtern, damit eine Gefährdung der Lunge weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Nanopartikel außerhalb der Lunge beobachten

Vor dieser Herausforderung stehen Lungenforschende generell: Die zellulären Prozesse in der menschlichen Lunge können sie nicht in Echtzeit und im lebenden Menschen beobachten. Was also passiert, wenn dort Lungenzellen und Nanopartikel aufeinandertreffen? Das müssen sie außerhalb der Lunge, in zellbiologischen Experimenten nachbilden. Eine der Schwierigkeiten dabei ist, exakt zu bestimmen, welche und wie viele Partikel auf den Lungenzellen ankommen. Bei dieser kniffligen Aufgabe arbeitete das Stöger-Team mit DZL-PI Otmar Schmid zusammen (ebenfalls DZL-Standort München). Er hat ein Modell entwickelt, bei dem eine genaue Dosierung des Auftreffens von Partikeln in bestimmten Regionen der Lunge und damit auf bestimmten Lungenzellen möglich ist.

nanopartikel in der lunge
Tissue Clearing: Nanopartikel (rot) in Lungengewebe (grün) - © Helmholtz Zentrum München (Lin Yang)

Lunge schickt Partikel in Quarantäne

Eine weitere EU-weite und interdisziplinäre Zusammenarbeit betraf den Aspekt der Entzündungsreaktion in der Lunge. Innerhalb des EU-Projekts „SmartNanoTox” fanden die Forschenden heraus, wie Lungenzellen auf bestimmte Metall-Oxid Nanopartikel reagieren:

  1. Lungenepithelzellen umhüllen die Partikel mit Molekülen und lagern sie aus auf die Zelloberfläche, sie schicken sie sozusagen „in Quarantäne“.
  2. Kommen nun die Fresszellen (Lungen-Makrophagen) hinzu, nehmen diese die umhüllten Partikel auf und sterben, je nach der Toxizität der Partikel. Es entsteht ein Nanomaterialkreislauf aus Aufnehmen und Ausscheiden der Nanopartikel, der durch immer neu einwandernde Fresszellen aufrechterhalten wird.

Die Forschenden um Tobias Stöger konnten nun in den Experimenten erkennen, wie Lungenzellen auf 15 verschiedene Materialien reagieren. Sie können dadurch vorhersagen, welche Art von Entzündungsreaktion, akut oder anhaltend, bei welchen Materialien stattfinden. Diese Erkenntnis sollte die Industrie zukünftig helfen, möglichst „lungenfreundliche“ Materialien herzustellen.

Nicht zuletzt hat die Gruppe um Tobias Stöger mit diesem Projekt eine alternative tierversuchsfreie Methode für toxikologische Studien entwickelt. Mit ihrer zellbiologischen Methode soll in Zukunft ohne Tierversuche getestet werden, wie sichere und möglichst unschädliche Nano-Materialien produziert werden können.