Neue antifibrotische Therapeutika?

Forschende untersuchen Ablagerungen in der extrazellulären Matrix bei Lungenfibrose
Zellkerne (blau)und sekretierte Ablagerungen von extrazellulärer Matrix (rot) durch primäre humane Myofibroblasten (grün), die aus Lungengewebe von IPF Patienten isoliert wurden. 

Zellkerne (blau)und sekretierte Ablagerungen von extrazellulärer Matrix (rot) durch primäre humane Myofibroblasten (grün), die aus Lungengewebe von IPF Patienten isoliert wurden. 

Mittels eines innovativen humanen Krankheitsmodells in einer High-Content-Screening-Plattform identifizierten Forscher des ILBD/CPC-M spezifische Derivate von Cinnamoyl-Anthranilaten als mögliche neue Klasse von antifibrotischen Therapeutika. Die Arbeit wurde in Science Advances (2021) veröffentlicht.

Erstautor Michael Gerckens und der leitende Wissenschafter Dr. Gerald Burgstaller (beide ILBD/CPC-M) waren von der Frage fasziniert: Wie können wir fibrogene Prozesse bei tödlichen chronischen Lungenerkrankungen stoppen? Für eine mögliche Antwort nahmen die Wissenschaftler die massive Ablagerung von extrazellulärer Matrix (ECM) genauer unter die Lupe. Sie ist der zugrunde liegende biologische Prozess bei fibrotischen Erkrankungen und führt schließlich zu Organversagen und Tod.  

Sie verwendeten erkrankte humane Lungenfibroblasten, die aus explantierten Lungen von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose isoliert wurden, in einem neuartigen phänotypischen 3D-Hochdurchsatz-Assay um neue Wirkstoffe für die Inhibierung  der abnormen ECM-Ablagerung zu entdecken. In enger Zusammenarbeit mit Prof. Oliver Plettenburg vom Institut für Medizinische Chemie (IMC, Helmholtz Munich) führten die Forscher Struktur-Aktivitäts-Beziehungsstudien durch und entdeckten N-(2-Butoxyphenyl)-3-(phenyl)acrylamide (N23Ps) als neue und hochwirksame antifibrotische Verbindungsklasse. N23Ps unterdrückten die Differenzierung von Fibroblasten zu Myofibroblasten, die Ablagerung von ECM und veränderten Zellformen, was für einen neuartigen Wirkmechanismus  sprechen könnte. 

Diese Daten deuten darauf hin, dass es sich bei den N23Ps um eine neue Klasse hochwirksamer antifibrotischer Verbindungen handelt, die sich bei Weiterentwicklung therapeutisch für die Hemmung der Organfibrose bei Patienten eignen. Die Autoren hoffen, zusammen mit dem neuen Institutsleiter Dr. Ali Önder Yildirim, diese Erkenntnisse durch die Verwendung von präklinischen humanen Krankheitsmodellen so bald als möglich in die klinische Praxis umsetzen zu können.   

Hintergrund:
Fibrotische Erkrankungen betreffen nahezu jedes Gewebe im Körper und sind für über
45 % aller Todesfälle in den Industrieländern verantwortlich. Fortschreitende Formen der Krankheit führen rasant zu Organfunktionsstörungen, Organversagen und schließlich zum Tod. Der Mangel an antifibrotischen Therapien und der damit einhergehende hohe medizinische Bedarf wird am besten durch die idiopathische Lungenfibrose (IPF) veranschaulicht, eine schnell fortschreitende und tödliche Fibroseerkrankung. Patienten mit dieser häufigen Form der interstitiellen fibrotischen Lungenerkrankung haben eine mediane Überlebenszeit von 3-5 Jahren. Derzeit sind nur zwei antifibrotische Medikamente für IPF auf dem Markt: Pirfenidon und Nintedanib. Beide Substanzen verlangsamen teilweise die Verschlechterung der Lungenfunktion, können das Fortschreiten der Krankheit aber nicht aufhalten. 

Link zur Publikation:

Phenotypic drug screening in a human fibrosis model identified a novel class of antifibrotic therapeutics, Gerckens M. et al., Science Advances (2021)