Forschung am CPC-M - Fluch und Segen der Beatmung bei Frühgeborenen

Forschung am CPC-M

Fluch und Segen der Beatmung bei Frühgeborenen

Sauerstoff für Frühchen – überlebenswichtig, aber mit Folgen für die Lungenfunktion der Kinder

Es ist eine Art Teufelskreis in der Neonatologie, der Neugeborenenmedizin:

Weil die Lunge bei Frühgeborenen noch nicht reif genug ist, entwickelt sich das sogenannte Atemnotsyndrom und die  Babys können nicht selbständig atmen. Die Frühchen, wie Eltern und Mediziner die kleinsten Patienten liebevoll nennen, müssen deswegen künstlich beatmet werden. Die Belastung durch die Sauerstofftherapie aber führt wiederum zu einer chronischen Lungenerkrankung, der Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD). Die BPD macht die Kinder anfällig für weitere Atemwegserkrankungen und schränkt ihre Lungenfunktion ein. Das Team um Dr. Anne Hilgendorff will mit der AIRR-Studie herausfinden, ob und wie dieser „Teufelskreis“ durchbrochen werden kann:

„Wir wollen besser verstehen und früher diagnostizieren, was wir die chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen nennen, die BPD, so dass wir den Kindern morgen im Kreißsaal sagen können: Wir können Dich besser begleiten und langfristige Komplikationen vermeiden.“

PD Dr. Anne Hilgendorff

Bronchopulmonale Dysplasie – früher erkennen, besser behandeln

Das Problem bei Frühgeborenen und BPD: Bis jetzt kann nur sehr spät diagnostiziert werden, welches Baby die Lungenerkrankung entwickelt und welches nicht. Ebenso fehlt ein ausreichendes Verständnis für die molekularen Mechanismen, die der BPD zugrunde liegen:

Was behindert die alveolare und kapilläre Entwicklung in der Lunge der Frühchen? Wie können wir diese Schädigungen möglichst früh feststellen?

Der Diagnosezeitpunkt bei der BPD liegt derzeit nämlich kurz vor der Entlassung, vor Erreichen des errechneten Geburtstermins. Ein Zeitpunkt, bei dem therapeutisch viele Chancen verpasst sind. Ein Ziel der AIRR-Studie deswegen: Biomarker identifizieren, um diese chronische Lungenerkrankung besser und früher diagnostizieren zu können.

Lungenfunktionsmessung eines Frühchens, Foto
Frühchen bei der Lungenfunktionsmessung
© Helmholtz Zentrum München

BPD auf der Spur – Innovative Ansätze
bei der Suche nach Biomarkern

Untersuchungen der Lunge und des Lungengewebes wie sie bei verschiedenen Erkrankungen  im Erwachsenenalter gemacht werden, sind bei Frühgeborenen nicht möglich. Das Team der AIRR-Studie verfolgt deswegen drei andere, moderne Ansätze bei seinen Untersuchungsmethoden:

  • Bildgebende Verfahren (Magnetresonanztomographie, MRT)
  • Lungenfunktionstestung
  • Analyse von Bioproben (Lungensekrete, Urin, Blut)

Durch die Analyse von Blutplasma konnte das AIRR-Team bereits zeigen:
Es gibt drei spezifische Eiweiße, die als Marker-Proteine auf Bronchopulmonale Dysplasie hinweisen.

Frühchen im MRT
MRT-Bild eines Frühgeborenen
© LMU Klinik München

Weiterer Durchbruch dank MRT-Bildern

Dr. Kai Förster, Wissenschaftler aus Anne Hilgendorffs Arbeitsgruppe und Experten aus der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum der LMU untersuchten rund 60 Frühgeborene mit neuesten Strategien der Magnetresonanztomographie (MRT). Dabei schaute sich der Mediziner die Protonendichte im Gewebe an, genauer gesagt: wie sich die Atome nach der Einstrahlung wiederausrichten. Die anschließende statistische Auswertung der Bildgebungsdaten geschah in Zusammenarbeit mit dem Institut für Computational Biology (ICB) am Helmholtz Zentrum München.

 

Die Auswertung ergab: Wie lange diese Wiederausrichtung der Atome im Gewebe dauert, ist ein konkreter Hinweis auf die Bronchopulmonale Dysplasie.

„Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt für eine verbesserte, bildgebende Untersuchung von Säuglingen mit Krankheitsrisiko“, sagt Gruppenleiterin Anne Hilgendorff. „Damit werden in Zukunft individuelle Behandlungs- und Überwachungsstrategien möglich.“ Sie wünscht sich nun, dass große Perinatalzentren die Methode einsetzen und gemeinsam auswerten, um mögliche Subtypen der Bronchopulmonalen Dysplasie zu identifizieren.